Die Villa Kerylos am MeerDie Villa Kerylos in Beaulieu-sur-Mer in den Alpes-Maritimes.
©Die Villa Kerylos in Beaulieu-sur-Mer in den Alpes-Maritimes. |Mullanasrudin

Die denkwürdigsten Bauwerke der Küste Südostfrankreichs

Von der Camargue bis Menton bergen die Küste der Provence und die Côte d’Azur verkannte Bauschätze, die lokale Geschichten und Einflüsse von weither widerspiegeln. Militärfestungen, Künstlervillen und exotische Marotten: Lernen Sie diese einzigartigen Orte kennen, an denen Baukunst mit dem Meer im Dialog steht.

Cabane du Simbèu des Marquis von Baroncelli

In Les Saintes-Maries de la Mer

Die Cabane du Simbèu ist ein lebendiges Zeugnis der Traditionen der Camargue und der tiefen Verbundenheit des Marquis von Baroncelli mit dieser Gegend. Der Marquis, der der Camargue verfallen war und ihr sein Leben widmete, ist eine unumgängliche Persönlichkeit der Identität der Region. Er war Stierzüchter, Schriftsteller und glühender Verfechter des Hirtenberufs, vermischte unter dem Einfluss der Wild West Show von Buffalo Bill die lokalen Bräuche mit der Vorstellungswelt des Far West und trug in besonderem Maße zur Festigung der heutigen Traditionen bei. Die Cabane de Simbèu ist das letzte Überbleibsel des Landhauses der Familie, das in den 1930er Jahren gebaut und 1944 von den deutschen Truppen zerstört wurde. Die Hütte wurde 2023 restauriert und weist die für die Häuser der Viehhirten, Fischer und Bauern der Camargue typischen Merkmale auf: das Reetdach und das schützende Kreuz der Camargue auf der zur Abwendung des Mistral fensterlosen abgerundeten Nordfassade. Die Cabane du Simbèu ist eines der seltenen, noch erhaltenen Beispiele des regionalen Baustils. Diese geschichtsträchtige Gegend lernen wir am besten bei einem Ausritt in die umgebenden Sümpfe kennen, wie zu Zeiten des Marquis.

Fort de Bouc

In Martigues

Das an einer strategischen Stelle der provenzalischen Küste am Einlauf des Etang de Caronte zwischen dem Mittelmeer und dem Etang de Berre gelegene Fort de Bouc diente Jahrhunderte lang der Verteidigung der Provence und der Bewachung der Mittelmeerküste. Die Festung wurde ab dem 12. Jahrhundert mit einem quadratischen Wachturm errichtet und war im Laufe der Jahrhunderte sehr begehrt. 1536 versuchte Karl V., das Fort einzunehmen, scheiterte jedoch am Widerstand der Einwohner von Martigues. Seine heutige Gestalt nahm die Festung im 17. Jahrhundert unter der Familie Bonnefons an, die die Anlage durch zwei Bastionen, einen Wallschild und eine feststehende Brücke verstärken ließ. Fälschlicherweise wird häufig Vauban mit diesen Arbeiten in Verbindung gebracht, doch von ihm stammt lediglich ein Teil des Innenausbaus. Das Fort kann von Mitte April bis Mitte Oktober im Rahmen der vom Tourismusbüro Martigues organisierten Führungen besichtigt werden. Die Anfahrt mit dem Boot über die Kanäle und das Viadukt von Caronte bietet vom Meer aus einen spektakulären Blickauf das Fort, und bei der anschließenden Besichtigung erfahren wir Genaueres über die Militär- und Baugeschichte des Ortes.

Fort Saint-Nicolas

In Marseille

Das über dem Alten Hafen von Marseille thronende Fort Saint-Nicolas spiegelt die königliche Macht und die stürmische Geschichte der Stadt wider. Sein Bau begann 1660 im Auftrag Ludwigs XIV. unter dem Argwohn der Bewohner: nach Aufständen der Bürger sollte das Fort die Kontrolle über Marseille herstellen und die Macht des Königs über eine als rebellisch geltende Stadt bekräftigen, aber die Stadt auch vor möglichen Angriffen vom Meer schützen. Die Festung beeindruckt durch ihren doppelten Mauerring, ihre Bastionen und die trotz des schwierigen Geländes in den Felsen gehauenen Gräben. Sie wurde von Louis-Nicolas de Clerville errichtet und später von Vauban als Fehlkonstruktion kritisiert. Das auch als Gefängnis verwendete und von den Marseillern als Symbol der Unterdrückung angesehene Fort wurde in der Revolution teilweise zerstört, dann aber auf Befehl der Nationalversammlung vor dem weiteren Abriss bewahrt. Es steht seit 1969 unter Denkmalschutz und ist heute in zwei Festungen unterteilt. Das Fort Ganteaume auf der Meerseite dient militärischen Zwecken und das Fort d’Entrecasteaux auf der Landseite ist die gegenwärtige Zitadelle von Marseille, in der kulturelle Veranstaltungen, Attraktionen und Führungen stattfinden. Im Sommer herrscht in den Gärten reges Treiben rund um einen Café-Wagen. Werfen Sie einen Blick auf den Veranstaltungskalender und profitieren Sie von dieser einzigartigen lebhaften Kulturstätte mitten in Marseille.

Bergwerk L’Argentière

La Londe-les-Maures

Unter den Landschaften des Badeortes La Londe-les-Maures verbirgt sich eine überraschende industrielle Vergangenheit. Die heute für ihre Strände bekannte Gemeinde war lange Zeit, womöglich seit dem Mittelalter, im Bergbau aktiv. Insbesondere ab dem 19. Jahrhundert wurde das Bergwerk in der Nähe des Plagede l’Argentière auf Initiative von Victor Roux wieder in Schwung gebracht, um dort Zink, Blei und Silber zu gewinnen. Das Vorkommen wurde eine der wichtigsten Zinkabbaustätten Europas und verfügte über ein komplexes unterirdisches Stollennetz und eine eigene Bahnlinie bis zum Port de l’Argentière. Die Erschöpfung der Lagerstätten und der Verfall der Preise Anfang des 20. Jahrhunderts führten jedoch 1929 zur endgültigen Schließung der Anlage. Ein im Jahr 2000 restaurierter, 90 Meter langer Stollen zeigt heute die ehemaligen Bergbautechniken, wie zum Beispiel das Feuersetzen. Dieses verkannte Kulturerbe wird bei Führungen vorgestellt, die am Plage de l’Argentière beginnen und beim Tourismusbüro La Londe-les-Maures reserviert werden müssen. Eine einzigartige Gelegenheit, um in die unterirdische Industriegeschichte der Küste des Departements Var einzutauchen.

Villa Tamaris Pacha und Weiler Les Sablettes

La Seyne-sur-Mer

Als sich die Côte d’Azur in den 1880er Jahren als Winterferienregion etablierte, wagte der vermögende Geschäftsmann Michel Pacha das ehrgeizige Vorhaben, ein Seebad in Tamaris an der Reede von Toulon zu errichten. Zu jenem Großprojekt gehörte auch die auf einem Hügel über das Meer ragende Villa Tamaris Pacha, die Michel Pacha ab 1890 für seine Gattin bauen ließ und die bei ihrem Tod noch nicht fertiggestellt war. Dieses in den 1990er Jahren restaurierte riesige Anwesen belegt eine Fläche von 3700 m² und wurde 1995 zu einem auf moderne Malerei, Fotografie und Bild spezialisierten Zentrum für bildende Kunst umgestaltet. Heute beherbergt es eine Sammlung mit über 750 Werken und veranstaltet regelmäßig Ausstellungen, Künstlerresidenzen und kulturelle Events. Die mitten in einem Kiefernwald liegende Villa bietet einen herrlichen Ausblick auf die ganze Lazaret-Bucht. Der ebenfalls von Michel Pacha ab 1883 weiter unten angelegte Weiler Les Sablettes ergänzte das Projekt Tamaris und verlockte die lokale Kundschaft mit einem Grand Hotel und einem Kasino. Er wurde 1944 von den Alliierten zerstört und nach dem Krieg durch den Architekten Fernand Pouillon wieder aufgebaut. Der lebhafte Weiler Les Sablettes ist heute Kulturerbe des 20. Jahrhunderts, stellt Werke von Künstlern des 20. Jahrhunderts aus und bietet einen außergewöhnlichen Blick auf das Kap Sicié und die Felsformation „Deux Frères“. Das Tourismusbüro Les Sablettes veranstaltet Führungen, bei denen die Bau- und Gesellschaftsgeschichte dieses einzigartigen Küstenortes genauer erläutert wird.

Missiri-Moschee und Pagode Hong Hien Tù

In Fréjus

In Fréjus legen zwei ungewöhnliche Bauten Zeugnis von der Kolonial- und Militärgeschichte des 20. Jahrhunderts ab: die Missiri-Moschee und die Pagode Hong Hien Tù. Die 1930 im Militärlager Caïs errichtete Missiri-Moschee ist ein getreuer Nachbau der Großen Moschee von Djenné in Mali. Sie wurde als kultureller Bezugspunkt für die senegalesischen Schützen entworfen, um ihrer Abgeschiedenheit entgegenzuwirken. Mit ihrer Fassade aus ockerrotem Beton und den die traditionellen Holzbalken nachbildenden Betonspitzen ist sie ein wirklich einzigartiges Bauwerk. Obwohl die Missiri-Moschee dem Original in Mali sehr ähnlich sieht, wurde sie nicht für den Gottesdienst gebaut, sondern als Gemeinschaftszentrum. Sie wurde 2025 restauriert, steht unter Denkmalschutz, ist als „Bemerkenswertes zeitgenössisches Bauwerk“ ausgezeichnet und gehört dem Armee-Ministerium. Die nicht weit davon entfernte Pagode Hong Hien Tù war die erste buddhistische Pagode Frankreichs und wurde von 1917 bis 1919 von Soldaten aus Indochina errichtet. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde sie zunächst aufgegeben und schließlich ab 1954 restauriert. Durch ihre traditionelle vietnamesische Architektur mit ihrem drachenverzierten Walmdach und ihrem 10 Meter langen liegenden Buddha ist sie ein Ort der Andacht und der Entdeckung. Gegenwärtig werden in der Pagode große buddhistische Zeremonien abgehalten, wie der vietnamesische Feiertag Tết und Buddhas Geburtstag, und sie ist weiterhin ein wichtiger Versammlungsort für die vietnamesische Gemeinde. Sie kann eigenständig oder im Rahmen einer Führung besichtigt werden, und es werden auch Meditationssitzungen veranstaltet.

Burg der Fürsten von Monaco

In Cagnes-sur-Mer

Die Burg der Fürsten von Monaco thront über dem mittelalterlichen Dorf Haut-de-Cagnes und verkörpert sowohl die frühere Macht der Lehnsherren als auch ausgefeilte Baukunst. Der französische Admiral und Lehnsherr von Cagnes RainierI. Grimaldi ließ sie 1309 errichten, um dieses Gebiet zu verteidigen. Ab 1620 wurde die imposante mittelalterliche Festung von Jean-Henri Grimaldi zu einer eleganten Residenz im italienischen Barockstil umgebaut und damit grundlegend verändert. Die Burg wurde damals mit einer Monumentaltreppe, einem hellen Innenhof und reich verzierten Zimmerdecken versehen. Sie wurde 1937 von der Gemeinde erworben und beherbergt seit 1946 ein Museum. 1948 wurde sie unter Denkmalschutz gestellt. In der Burg befinden sich Ausstellungen über Gegenwartskunst, ein Olivenbaummuseum und eine Sammlung von Porträts der Sängerin Suzy Solidor, einer Nachtclub-Ikone aus dem Paris der 1930er Jahre. Von den Terrassen fällt der Blick aufs Mittelmeer und verdeutlicht die strategische und ästhetische Bedeutung dieses kulturgeschichtlich und künstlerisch symbolträchtigen Bauwerks der Côte d’Azur. Werfen Sie zur Vorbereitung Ihres Besuchs einen Blick auf den Veranstaltungskalender der Burg.

Landgut Les Collettes

In Cagnes-sur-Mer

In seiner Begeisterung für das Licht des Südens und einen hundertjährigen Olivenbaum auf den Anhöhen von Cagnes-sur-Mer erwarb Auguste Renoir 1908 das Domaine des Collettes, wo er eine Villa im neoprovenzalischen Stil errichten ließ. Obwohl sich sein Gesundheitszustand aufgrund schwerer Polyarthritis zusehends verschlechterte, ließ er sich dort mit seiner Familie nieder und ging bis zu seinem Tod 1919 einer intensiven künstlerischen Tätigkeit nach. Auf diesem Landgut entstanden bedeutende Werke seiner „Cagnes-Periode“, die durch helle, sinnliche und friedliche Bilder geprägt war, darunter einige seiner berühmtesten Gemälde wie Landschaft in Les Collettes. In Zusammenarbeit mit Richard Guino fertigte Renoir auch seine ersten Skulpturen an. Berühmte Künstler wie Matisse, Maillol, Modigliani oder Rodin besuchten ihn in seiner kreativen Oase. Seit 1960 beherbergt die Villa das Renoir-Museum, in dem die ursprünglichen Möbel, persönliche Gegenstände des Künstlers und eine Auswahl seiner Werke zu sehen sind. Der drei Hektar große Park mit Oliven- und Orangenbäumen bietet einen außergewöhnlichen Blick auf das häufig in seinen Gemälden dargestellte Kap von Antibes. Das unter Denkmalschutz stehende, als „Haus der Berühmtheiten“ ausgezeichnete Landgut bezeugt trefflich die Verwurzelung des impressionistischen Meisters im Mittelmeerraum und seine schöpferische Vitalität.

Villa Kérylos

In Beaulieu-sur-mer

Die auf einer Felszunge am Meer eingebettete Villa Kérylos ist ein bauliches Meisterwerk, das als getreue Nachbildung eines antiken griechischen Hauses konzipiert wurde. Sie wurde von 1902 bis 1908 auf Betreiben des leidenschaftlichen Hellenisten Théodore Reinach nach dem Entwurf des Architekten Emmanuel Pontremoli errichtet. Die Villa ist an die vornehmen Häuser der Insel Delos aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. angelehnt und mischt archäologische Strenge mit modernem Komfort: die Wandmalereien, Mosaiken, Säulen und Möbel sind nach antiken Vorbildern gestaltet, und die Heizung, die Elektrik und die Sanitäranlagen sind unauffällig integriert, um die Ästhetik zu wahren. Beim Bau wurden auch edle Materialien wie Carrara-Marmor oder exotische Hölzer verwendet. Der Außenbereich mit Olivenbäumen, Weinstöcken, Granatapfel- und Lorbeerbäumen erinnert ebenfalls an Griechenland. Die 1928 dem Institut de France vermachte Villa wird heute vom französischen Zentrum für Denkmalpflege verwaltet. Ein eigenständiger oder geführter Besuch durch die Villa Kérylos, bei dem wir in die antike griechische Zivilisation eintauchen, bietet ein einzigartiges sinnliches und intellektuelles Erlebnis am Mittelmeer.

Palais Carnolès und sein Park

In Menton

Das Palais Carnolès ist das Ferienhaus der Fürsten Monacos, ein Museum und ein außergewöhnlicher Garten und legt Zeugnis von der feinen Lebensart der Familie Grimaldi an der Riviera ab. Monacos Fürst Antoine I. Grimaldi ließ es zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Stil des Grand Trianon von Versailles errichten. Das als Sommerresidenz konzipierte Schloss verband damals mondäne Vergnügungen wie Jagd, Musik und Theater mit den Obstplantagen, Gemüsegärten, Ställen und Hühnerhöfen eines landwirtschaftlichen Betriebs. Seit dem 18. Jahrhundert wuchsen auf dem Landgut über 1700 Obstbäume. Der in den 1970er Jahren wiederhergestellte Obstgarten beherbergt heute eine der größten Zitrusfrüchtesammlungen Europas mit137 Sorten wie Pomeranzen, Zitronen- und Orangenbäumen. 1961 wurde das Palais vom Departement erworben und restauriert. Seit 1977 befindet sich dort ein Kunstmuseum, in dem insbesondere Werke der Wakefield-Mori-Schenkung ausgestellt sind. Der für die Öffentlichkeit zugängliche Park verbindet Botanik und moderne Kunst und besticht mit seinen Zitrusbaumalleen und modernen Freiluftskulpturen. Der Garten des Palais Carnolès bietet ganz in der Nähe des Zentrums von Menton eine friedliche, vornehme Pause mit Architektur, Gartenbau und Kunst. Er kann eigenständig oder im Rahmen einer vom Tourismusbüro veranstalteten Führung besucht werden.

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