Zwei Wanderinnen von hinten, die das Sainte-Victoire-Massiv bewundernWanderung im Sainte-Victoire-Massiv im Departement Bouches-du-Rhône
©Wanderung im Sainte-Victoire-Massiv im Departement Bouches-du-Rhône |Luparini.C

Die Via Aurelia

von Menton nach Arles zwischen Meer, Geschichte und Spiritualität

Zwischen Mittelmeer und provenzalischem Hinterland lädt uns die Via Aurelia zu einer Reise durch die Jahrhunderte ein. Lernen Sie auf einer bedächtigen Wanderung vor mannigfaltiger Kulisse eine altehrwürdige Route kennen.

Eine zum Wandern wiederentdeckte antike Straße

Die Via Aurelia erstreckt sich über rund 350 km von Menton bis Arles und durchquert dabei die Departements Alpes-Maritimes, Var und Bouches-du-Rhône. Diese ehemalige Römerstraße, die heute zu den Jakobswegen gehört und als Fernwanderweg GR®653A bezeichnet wird, wurde im 3. Jahrhundert v. Chr. erbaut, um Rom mit Arles zu verbinden. Wir können die Via Aurelia komplett oder auch nur abschnittweise und natürlich ganz nach unserem Rhythmus zurücklegen. Der Fernwanderweg und spirituelle Parcours vermischt Landschaften, Kulturerbe und Selbstbeobachtung und bietet eine ideale Strecke, um sich wieder mit der Natur und mit sich selbst zu verbinden. Die beste Zeit? Eher Frühjahr oder Herbst, um das wunderbare Licht und die milderen Temperaturen zu genießen.

Durch kontrastreiche symbolträchtige Landschaften

Der Weg beginnt sanft in den sonnendurchfluteten Gassen von Menton zwischen Meerblick und Gartenterrassen und führt dann in die Richtung der mit Olivenbäumen und Kiefern gesäumten Hügel des Departements Var. Bevor wir Alpes-Maritimes verlassen, läuft der GR®653A den Meerespark Estérel-Théoule entlang und an der Pointe l’Aiguille vorbei, wo sich ein außergewöhnlicher Unterwasserweg befindet. Auf den Anhöhen des Hinterlands des Departements Var und des Estérel-Gebirges bahnt er sich dann durch die grüne Provence und ihre Weingüter und erwartet uns mit herrlichen Aussichtspunkten und großartigen Panoramen über die Täler. Nachdem die Via Aurelia den Norden des Regionalen Naturparks Sainte-Baume gestreift hat, führt sie über die Weinberge von Puyloubier in das Departement Bouches-du-Rhône. Dort enthüllt sich eines der Lieblingsszenarien von Cezanne: der aus der Pflanzenwelt der Provence herausragende Kalkfelsen des Sainte-Victoire. Die Strecke durchquert anschließend Aix-en-Provence, Eguilles und Salon-de-Provence und verläuft entlang der Südseite der Alpillenkette. Wenn wir uns Arles nähern, verwandelt sich die Kulisse in einen friedlichen Abschlussweg inmitten ausgedehnter Ebenen.

Geschichtsträchtige Begegnungen am Wegesrand

Die Via Aurelia ist von Spuren der Vergangenheit übersät. In den durchquerten Städten stoßen wir auf Überbleibsel aus der Antike und aus dem Mittelalter: Pflasterstraßen, Römerbrücken und Meilensteine säumen den Weg, besonders in Fréjus, Aix-en-Provence und Arles. Orte der Geschichte und auch Orte des Gedenkens. In Saint-Raphaël erinnern der Soldatenfriedhof von Boulouris, die Gedenkstätte und der Strand von Le Dramont an die Landung in der Provence von 1944. In Fréjus entdecken wir ein verkanntes Kulturerbe aus der Zeit der Kolonien und der Kriege des 20. Jahrhunderts: das Denkmal der Indochinakriege, die buddhistische Pagode Hông-Hiên und die Missiri-Moschee. Die 1917 von Indochina-Schützen im traditionellen vietnamesischen Stil erbaute Pagode Hông-Hiên ermöglichte den Kolonialsoldaten in Fréjus den Besuch einer ihnen vertrauten Kultstätte. Sie kann individuell oder mit Führung besichtigt werden und bietet sogar Meditationssitzungen an. Im selben Sinne wurde die Missiri-Moschee, ein aus rotem Ocker bestehender Nachbau der Moschee von Djenné in Mali, 1930 errichtet, um einen vertrauten kulturellen Rahmen für die westafrikanischen Soldaten zu schaffen, allerdings war sie nie als Gotteshaus bestimmt. Sie steht unter Denkmalschutz, wurde 2025 renoviert und kann nur von außen besichtigt werden.

Einzigartige Bauwerke

Die Via Aurelia führt auch an faszinierenden Bauwerken vorbei. In Menton kommen die Gärten zu Ehren, beispielsweise die Gärten des Palais Carnolès mit einer der umfangreichsten Zitrusfrüchtesammlungen Europas. Dieser im 18. Jahrhundert vom Fürsten von Monaco in Auftrag gegebene Palast war ursprünglich eine Sommerresidenz, die feine Lebensart und einen landwirtschaftlichen Betrieb beherbergte. Seit 1977 ist dort ein Kunstmuseum untergebracht. Ganz in der Nähe befindet sich der 1875 angelegte botanische Garten Val Rahmeh mit rund 1700 exotischen Pflanzenarten. Der Garten Fontana Rosa gehört ebenfalls zum Pflichtprogramm von Menton. Er bezeugt die literarische Leidenschaft des spanischen Schriftstellers Vicente Blasco Ibanez: wir finden dort Mosaiken, Pergolen, Wasserbecken und Büsten seiner Lieblingsautoren Cervantes, Balzac und Hugo. Eine echte Oase seltener Pflanzen und exotischer Stimmungen ist der vom Botaniker Lawrence Johnston angelegte denkmalgeschützte Garten Serre de la Madone. 

In Fréjus erinnern die Belle-Epoque-Villen an den Prunk des Badeorts zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wie zum Beispiel die inmitten eines weiträumigen mediterranen Parks eingebettete Villa Aurélienne oder die Villa Marie, eine ehemalige große Ferienvilla, die heute eine Stadtbibliothek beherbergt. In Saint-Raphaël lernen wir diese prächtigen Anwesen beim Rundgang der Belle-Epoque-Villen im Stadtteil Notre-Dame kennen. Das in einem ganz anderen Stil errichtete Maison Bernard in Théoule-sur-Mer trägt den Spitznamen „Blasenhaus“ und wirkt wie ein seltsames Betonschiff mit organischen Formen. Es wurde vom ungarischen Architekten Antti Lovag in den 1970er Jahren errichtet und illustriert die unabhängige erfinderische Seite der mediterranen Architektur.

Reichhaltiges spirituelles Erbe

Auf dem GR®653A folgen wir auch den Spuren der Pilger des Jakobswegs. Zahlreiche Herbergen, Unterkünfte und Gästezimmer liegen an diesem Weg und bieten herzlichen wandererfreundlichen Empfang. Unauffällig leitet die Jakobsmuschel – das Symbol des Jakobswegs – als Relief oder als Bild unsere Schritte. Viele Kirchenbauten prägen das Gemüt durch ihre Schönheit oder ihre einzigartige Atmosphäre. Das Kloster Le Thoronet, ein auf den Hügeln des Departements Var eingebettetes Kleinod der Zisterzienser, die Basilika Sainte-Marie-Madeleine von Saint-Maximin, das Kloster Montmajour in der Nähe von Arles und zahlreiche weitere ländliche Kapellen säumen die Strecke, bieten Andacht am Wegesrand und tragen ganz besonders zur spirituellen Dimension der Via Aurelia bei.