Auf Tuchfühlung mit den Impressionisten
in der ProvenceDas Aushängeschild der Leihgaben aus dem Musée d’Orsay in Provence-Alpes-Côte d’Azur ist Vincent Van Goghs Gemälde Die Sternennacht (1888), das in der Vincent-Van-Gogh-Stiftung in Arles zu sehen ist, nur wenige hundert Meter von der Stelle entfernt, an der es gemalt wurde. Der niederländische Maler war ein eifriger Leser der Romane Jules Vernes, fasziniert von der Nacht und den Sternen und davon überzeugt, dass die Seelen der Verstorbenen zu den Sternen emporstiegen. In der Ausstellung Van Gogh und die Sterne lädt die Van-Gogh-Stiftung dazu ein, diese Leidenschaft zu erkunden. Sie spiegelt die sprudelnde literarische und wissenschaftliche Aktivität der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rund um diese Themen wider, als die von der Kunst getragene Astronomie in Mode kam. Das ganze Jahr über würdigt die Van-Gogh-Stiftung die Malerei Van Goghs und untersucht ihren Einfluss auf das heutige Kunstschaffen. Weiter geht die Reise ins Musée Estrine nach Saint-Rémy-de-Provence, wo das Vincent Van Gogh Erlebniszentrum angesiedelt ist. Bei der Gelegenheit empfiehlt sich auch ein Besuch im Kloster Saint-Paul-de-Mausole, in dem Van Gogh 1889 behandelt wurde und sein ehemaliges Zimmer zu sehen ist.
Fondation Vincent Van Gogh – Arles – Vom 1. Juni bis 25. August 2024
Auguste Chabaud, Maler und Bildhauer des Postimpressionismus, war ein Kind des Südens. Als er nach dem Ersten Weltkrieg in die Provence zurückkehrte, wurde das von seinen Eltern geerbte Weingut in Graveson zwischen Avignon und Saint-Rémy-de-Provence seine wichtigste Inspirationsquelle. Nachdem er in Paris die Ufer der Seine, das Nachtleben und die Cabarets und Bordelle von Montmartre gezeichnet und gemalt hatte, wandte er sich Szenen aus dem Landleben zu und stellte Tiere, Bauern, Hirten und provenzalische Landschaften dar. In seinen Werken erkennen wir den Einfluss des Fauvismus mit der Verwendung reiner Farben, die pointillistische Note von Seurat und Pissaro und den Kubismus von Cézanne, obwohl Auguste Chabaud nur wenig Verbindung zu seinen Zeitgenossen aus der Kunstszene pflegte. Mit der Zeit gesellten sich religiöse Szenen aus der Provence und Darstellungen der Montagnette des Alpilles zu seinem Werk. Wir lernen diesen facettenreichen provenzalischen Künstler im Musée Auguste Chabaud in Graveson näher kennen, dort wo alles begann.
Im Musée Angladon in Avignon entdecken wir die gefühlvolle Malerei von Alfred Sisley. In diesem ehemaligen Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert, dem Hôtel de Massilian, ist eines seiner seltenen, in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur erhaltenen Gemälde ausgestellt: Schneelandschaft in Louveciennes (1874). Der mit Renoir und Monet befreundete Maler Sisley konzentrierte sich auf die Landschaften von Paris und Umgebung: Louveciennes, Bougival, Marly-le-Roi. Obwohl er an den ersten drei der insgesamt acht Ausstellungen der Impressionisten teilnahm, wurde ihm zu Lebzeiten niemals wirkliche Anerkennung zuteil. Im Musée Angladon hängen seine Gemälde heute dennoch neben den Bildern von Edgar Degas (Zwei Tänzerinnen (1880-1885) und Büglerin (um 1874)), Paul Cézanne (Stillleben mit Steingutkrug (1874)) und Vincent Van Gogh (Eisenbahnwaggons in Arles (1888)).
Die Wiege von Paul CézanneAix-en-Provence ehrt den Sohn des Landes im Musée Granet mit einem ihm gewidmeten Saal. Unter den zehn ausgestellten Gemälden befinden sich das kürzlich erworbene Porträt von Zola (um 1862) und eine Vorversion der monumentalen Großen Badenden. Cézanne lernte die Impressionisten in Paris kennen, wo er sich insbesondere mit Camille Pissaro anfreundete, der ihn in den Pointillismus einführte. Allmählich distanzierte er sich jedoch vom Impressionismus, und statt für Paris interessierte er sich mehr für seine heimatliche Provence und den Berg Sainte-Victoire, der ihn faszinierte und den er immer wieder malte. Er entwickelte einen eigenen Stil, teilte allerdings mit der Gruppe die Leidenschaft für die Darstellung des Lichts. Neben Cézanne stellt das Musée Granet weitere Meister des Impressionismus aus wie Claude Monet (Leicester Square (1901)), Edgar Degas (Zwei Frauen im Bad (1895)) und Vincent Van Gogh (Blumenstrauß (1886)).
Während sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Impressionismus ausbreitete, entwickelte sich in der Provence die von Emile Loubon verkörperte Marseiller Schule. Diese auf die Darstellung der Natur des Südens ausgerichtete Bewegung forderte ebenfalls den Bruch mit der akademischen Kunst und präsentierte sich als lokale Alternative zu der vor allem Paris zugerechneten impressionistischen Moderne. Um diese beiden Sichtweisen der Landschaft zu erkunden, empfängt das Kunstmuseum Marseille die Ausstellung Marseille malen, 1853-1878. Eine andere Moderne. Zu sehen sind dort unter anderem der Blick von Les Aygalades auf Marseille an einem Markttag (1857) von Emile Loubon und der Blick von L’Estaque auf den Golf von Marseille (1878), ein vom Musée d’Orsay geliehenes Werk Cézannes, in dem Loubons Einfluss ersichtlich ist. Unter den ausgestellten Werken befindet sich auch Die Wäscherin (1860) von Paul Guigou, ebenfalls eine Leihgabe des Musée d’Orsay. Gemälde von Monticelli oder Engalière wiederum stammen aus den Kulturerbesammlungen der Stadt Marseille. Bis zum 14. April 2024 veranstaltet das Musée Regards de Provence außerdem die Ausstellung „Die Sammlung – ihre 25 Jahre“, die die provenzalischen Landschaftsmaler des Postimpressionismus, des Fauvismus und des Expressionismus ehrt, wie zum Beispiel Jean-Baptiste Olive, Félix Ziem und Louis-Mathieu Verdilhan. Ein weiteres Muss ist die Dauerausstellung des Musée Cantini mit Gemälden von Othon Friesz, Raoul Dufy, André Derain und Paul Signac.
Musée des Beaux-Arts – Marseille – Vom 24. Mai bis 4. September 2024
Musée Regards de Provence – Marseille – Bis 14. April 2024
Seit 1939 beherbergt das Musée des Beaux-Arts von Draguignan das Kind mit Plätzchen (1887), ein Porträt von Auguste Renoir, in dem er seinen Sohn Jean als Baby darstellt. Für das 150-jährige Jubiläum des Impressionismus zeigt das Museum ein weiteres Werk des Meisters aus der Sammlung des Musée d’Orsay: Studie. Akt in der Sonne (um 1876). Dieses Gemälde war bei der zweiten Ausstellung der Impressionisten 1876 aufgefallen. Kritiker hatten damals die extravaganten Blau- und Gelbtöne und die eigenartigen Farbflecken bemerkt. Studie. Akt in der Sonne ist im Saal des 20. Jahrhunderts des Musée des Beaux-Arts Draguignan zu sehen, in dem die Ausstellung Der impressionistische Frühling des Herrn Renoir über den Maler, seine Rolle bei der Entstehung der Bewegung und seine scharfsinnige Kenntnis des Kunstmarktes veranstaltet wird.
Musée des Beaux-Arts – Draguignan – 9. März bis 23. Juni 2024